Square Dance Geschichte und Entwicklung

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Tanzen, singen und musizieren sind die ältesten Künste. Mag es anfangs nur als Imponiergehabe bei der Brautwerbung entstanden sein, oder als Beschwörungsritual für oder gegen klimatische Bedingungen, Krankheiten, Erntedank, Fruchtbarkeit, Jagdglück, Opfertanz, Götzenanbetung. Kriegstanz usw.  Diese rituellen Tänze gehörten und gehören seit ewigen Zeiten zum menschlichen Instinkt und sind dem Menschen angeboren. Unabhängig voneinander und getrennt durch Kontinente und Ozeane entwickelte jedes Volk sein ureigenstes Ritual zu diesen Anlässen. Auch die indianischen Ureinwohner Nordamerikas praktizierten rituelle Gesänge und Tänze und fertigten Trommeln, Klappern, Schellen und Flöten wie jedes andere Volk zur musikalischen Untermalung. Die Indianer Nordamerikas haben jedoch nichts mit der Entwicklung des Square Dance gemein. Das blieb einzig und allein den Einwanderern aus Europa vorbehalten.

Vom rituellen zum künstlerischen Tanz ist es nur ein kleiner Schritt. Körperdrehungen und ausdrucksvolle Gestik erfreuen den Betrachter beiderlei Geschlechts. Sei es als Unterhaltung der regierenden Oberschicht oder als zur Schau stellen von körperlichen Reizen und Vorzügen zum Zwecke der Werbung. Besonders gute Tänzer wurden Solisten und erfanden neue Schritte und Darstellungen.  Vom Solo~ zum Gruppentanz dürfte es keine Entwicklungsschritte gegeben haben. Man darf mit Bestimmtheit annehmen, dass sich der Zuschauer von Tanz und Rhythmus animiert fühlen musste und was liegt näher, als die Bewegungen eines Vortänzers nachzuahmen. Um diesen Tanzablauf für andere Personen gleichzeitig und synchron beizubehalten, bedurfte es einer gleich bleibenden Choreographie. Man kann sich vorstellen, dass sich so alle Arten von Volkstänzen entwickelt haben.

 

Der englische Einfluss

Beginnen wir im 15. Jahrhundert mit einer der ersten bekannten und aufgezeichneten Arten von Gruppentanz. Damals entstand in Europa der Moriskentanz, der wahrscheinlich durch die Kreuzritter nach Europa und später nach England gekommen ist. Er scheint ursprünglich den Kampf zwischen Christen und Mauren dargestellt zu haben. Eine Musik zum Moriskentanz ist nicht überliefert. Erasmus Grasser schuf um 1480 sechzehn Skulpturen von diesen ‘maurischen Tänzern’ im Auftrag der Stadt München, welche im alten Münchner Rathaussaal zu bewundern sind. Leider sind davon nur noch zehn erhalten.

Der Moriskentanz, in England Morris Dance genannt, wurde zum Vorläufer vieler anderer Tänze und der erste country dance (= Tanz für das Volk). Der Morris Dance wurde von sechs Männern, die sich in Dreierreihen gegenüber standen, getanzt. Anfangs waren diese Tänzer, die sich Morris Men nannten, Berufstänzer und eine eintrainierte Truppe. Der Tanz war für das gewöhnlich Volk nicht zugänglich. Die Kommandos zu Körperdrehungen wurden während des Tanzens von einem Vortänzer aus ihrer Mitte gegeben. An den Waden der Tänzer waren Schellen und Glöckchen befestigt. Um diese zum Klingen zu bringen, war der Tanz entsprechend wild und von Kicken und Fußstampfen begleitet. Die Tänzer mussten eine gute körperliche und athletische  Verfassung haben, denn dieser Tanz war nicht nur auf einen Platz begrenzt, sondern bewegte sich oft meilenlang von einer Ortschaft in die andere.

Die Kirche beeinflusste lange Zeit das Tanzen, das auch Teil von kirchlichen Zeremonien war, aber bald wieder verboten wurde, da das Gefallen am Tanz der religiösen Andacht abträglich war. Die Herrscher der Großmächte des 16. und 17. Jahrhunderts, England, Frankreich und Spaniern, führend in Kultur, Zivilisation und Gesellschaft ließen sich von fremden Tänzen inspirieren und vermischten sie mit ihren eigenen. So ist es kein Wunder, wenn eine genaue Ursprungsforschung erfolglos bleibt. Man nimmt an, dass durch die geographische Isolation bzw. durch die Abgrenzung vom Festland die Tänze auf den britischen Inseln in ihrer Originalität am beständigsten erhalten blieben. So sind z.B. die Schottisch Reels und die Irish Jigs bis in die heutige Zeit erhalten geblieben.

Zurück zu den Morris Men: Im Laufe der Zeit wurden diese sechs Tänzer zu einer ‘endlosen Reihe beliebig vieler Teilnehmer’ = longways for as many as will erweitert und auch die Damen durften daran teilnehmen. Zur gleichen Zeit wurde auch paarweise in Kreisformation getanzt; die Anzahl der Paare war ebenfalls beliebig = rounds for as many as will. Diese longways und rounds waren sehr variantenreich, wobei heutige Square Dance Elemente bereits denkbar waren; pass thru, sashay, weave etc. Die vom Volk ausgehenden longways eroberten sogar den Königshof. Während in England die höfischen Tänze von den Volkstänzen beeinflusst wurden, ging die Entwicklung in Frankreich den umgekehrten Weg vom höfischen Tanz zum Volk.

 

Der französische Einfluss

Am Hofe Ludwig XIII. und später Ludwig des XIV. tanzte die Aristokratie althergebrachte Tänze wie Menuett und Gavotte in Kreis und Linienformationen, wobei dem König die Rolle des Vortänzers gebührte. Die englischen longways setzten über den Kanal und eroberten im Sturm den französischen Hof, wo sie verfeinert und der französischen Mentalität angepasst wurden. Anfangs tanzte jeweils nur ein Paar durch die Halle oder die gebildeten Reihen der Tänzer, und erst als sie das Kopf~ oder Fußende erreicht hatten, folgte das nächste Paar. Neuankömmlinge oder Tanzneulinge konnten sich so vom Zuschauen die Figurenfolge einprägen und danach imitieren; die Tanzschritte blieben immer gleich. Dies entwickelte sich dann so, dass erst zwei Paare nebeneinander und gemeinsam die Linien auf und ab tanzten, dann, falls genügend Platz war, zu mehreren Paaren nebeneinander. Es war also mehr ein Zuschauen und Bewundern anderer Gäste und deren Toilette und lieferte Munition für den höfischen Klatsch.

Der Wunsch nach eigener Aktivität und Teilnahme am Tanz wurde aber zunehmend stärker. So teilte sich die anwesende Gesellschaft in mehrere Gruppen einer festgelegten Anzahl von Paaren, aber die Reihen der longways wurden im wesentlichen beibehalten, jedoch anders choreographiert, so dass z.B. erst eine Seite der Reihen von Tänzern aktiv war und danach die gegenüberliegende; oder jeder zweite oder dritte Tänzer beider Reihen aufeinander zutrat und die vorgeschriebenen Tanzschritte ausführte. So wurde unter vielen Variationen auch eine Progression eingeführt, wobei die Tanzpartner gewechselt wurden und so Gelegenheit erhielten, miteinander bekannt zu werden.

Diese modernisierten und aufpolierten longways wurden in Frankreich zu Contre-Danse umbenannt, was im übertragenen Sinn ‘Gegen(über) -Tanz’ bedeutet. Diese Bezeichnung wurde später  von den Amerikanern als Contra Dance übernommen. Es hat also nichts mit dem Wort country (ländlich) zu tun.

Ende des 18. Jahrhunderts vergaß man in England mehr und mehr die longways, rounds for as many as will, rounds of eight und square eight, die sich nach und nach entwickelt hatten. Frankreich übernahm nahtlos die rounds of eight Choreografie, die als Contredanse Francaise bekannt wurde. Auch square of eight Figuren wurden hier einbezogen; eine genaue Abgrenzung lässt sich aber nicht feststellen. Eine der französischen Variationen ist besonders interessant: der Cotillon. Der Cotillon war strikt für acht Tänzer quadratisch choreographiert; ein Square Dance! Cotillon bedeutet Unterrock/Petticoat. Der Name Cotillon stammt möglicherweise von einem damals populären Lied, in dem es um Wortspiele mit Cotillon“ geht; z.B. „aimer le cotillon“ = jedem (Unter)Rock nachlaufen (= Schürzenjäger). Die endlosen Wiederholungen der wenigen Figuren führten zu Monotonie und damit zum Tode dieses Tanzes. Aber er war der Vorläufer eines anderen Tanzes: der Quadrille, was so viel wie Vierergruppe bedeutet.

 

Die Kolonialzeit

150 Jahre lang hielt sich in den Ballsälen des östlichen Amerika die Quadrille in einer Form, die man bereits als eine Art Square Dance bezeichnen kann. Wir sind nun in der Zeit von Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts angelangt. Hier teilt sich der weitere Entwicklungsweg, beeinflusst durch die verschiedenen Mentalitäten und sozialen Schichten der Einwanderer. Auch die gewaltige Ausdehnung des Landes, in dem sich die Siedler verteilten und anderen Einflüssen unterlagen, behinderte eine gemeinsame Entwicklung. Ein prunkvoller Ballsaal der ostamerikanischen Aristokratie war im Westen und anderen neu besiedelten Gebieten undenkbar und einfach nicht vorhanden. Während in Neu-England ein Ball ein gesellschaftliches Ereignis darstellte und auch zur Abwicklung von Geschäften und zum Knüpfen von Verbindungen genutzt wurde, tanzte man in den neuen Gebieten in rauer Ausgelassenheit zum 'Luft ablassen', um das harte Siedlerdasein zeitweise vergessen zu machen.

Auch die Mode beeinflusste das Tanzen in beträchtlichem Maße. Die Damen des Ostens trugen weit ausladende Kleider, Krinolinen und Schleppen, die viele Meter schweren Stoff benötigten. Darunter mehrere übereinander getragene Unterröcke und Reifröcke, die dann später zu Petticoats wurden. Man benötigte viel Platz zum Tanzen und dazu einen großen Saal. Das Tanzen war anmutig, graziös und die Damen schwebten geradezu wie riesige Lampenschirme über das Parkett. Undenkbar, diesen Tanzstil auf die einfachen Siedlerfrauen und die nicht vergleichbaren und nicht vorhandenen Kleider übertragen zu wollen. In den Ballsälen standen Berufsmusiker mit den besten Instrumenten zur Verfügung. Auf dem Lande gab es meist nur Amateurmusiker mit zusammen gewürfeltem Instrumentarium. Jedes volkstümliche Instrument, das vorhanden war, wurde genutzt und einbezogen: Fiedel, Banjo, Mundharmonika, Maultrommel, Gitarre, diverse Schlaginstrumente und vielleicht ein Piano oder ein Harmonium.

Bevor wir wieder zum Scheidepunkt um 1800 zurückkehren, muss noch ein wesentlicher Einfluss auf das allgemeine Tanzgeschehen genannt werden: der individuelle Paartanz. Bis zu diesem Zeitpunkt tanzte man in Gruppen von Paaren und gemeinsam die gleichen Schritte zur gleichen Zeit wie die anderen, sich dabei gemeinsam in eine Richtung bewegend. Es war ein Gruppentanz mit standardisierter Choreographie. Der individuelle Paartanz ist unabhängig, frei für Improvisation, Darbietung und Tanzrichtung. Die neu entdeckten Rhythmen Walzer, Polka und Mazurka und der damit verbundene Paartanz führten fast zum Tod der Formationstänze. Das war aber ein langsamer Prozess. Erst wurden diese neuen Rhythmen auch in die Quadrilleform einbezogen und es entstanden Walzer=, Polka= und Mazurkaquadrillen.

Nun aber zurück in die Jahre um 1800 und zu den einzelnen Richtungen der amerikanischen Tänze, welche getrennt beschrieben werden, sich aber nahezu gleichzeitig entwickelten, um dann viel später und erst in jüngster Vergangenheit wieder eine gemeinsame Basis im heutigen Square Dance zu finden.

 

Quadrille und Lancers

Zuerst die große und alles überragende Quadrille. Ursprünglich ein Tanz mit zwei sich gegenüberstehenden Paaren, entwickelte sich daraus aus Platzgründen ein Tanz mit vier Paaren, welcher als Ursprungsform des Square Dance angesehen wird. Dadurch war auch die Nummerierung der Tanzpaare anders als heutzutage: heads = one and two, sides = three and four.

Eingeführt und übernommen aus Europa, speziell aus Frankreich, entwickelten amerikanische Komponisten und Choreografen daraus einen eigenen amerikanischen Stil. Der Tanz wurde damals in fünf einheitliche Figurenfolgen unterteilt. Jedes Stück war in sich geschlossen und wurde ohne Variationen getanzt. Die Quadrille ist eine Mischung aus Square Dance und Contra Dance. Die Formation ist quadratisch; die Art der Kommandogebung und das Musikschema sind identisch zu denen der Contras. Auch heute noch sind diese Choreografien und Schallplatten erhältlich und sollten gelegentlich das Repertoire bereichern: Sweet Georgia Brown, Queens Quadrille, Farmers Quadrille etc. Um die Figurenfolge nicht auswendig lernen zu müssen, was bei der Vielfalt unmöglich gewesen wäre, und um zu gewährleisten, dass auch alle Tänzer gemeinsam die Figurenfolge tanzten, trat zum ersten Mal ein entscheidendes Phänomen auf: der Tanzleiter.

Am Hofe Frankreichs war dies ursprünglich ein Zeremonienmeister in seiner prachtvollen Uniform (franz.: Maitre de plaisir), der den Tänzern die Figuren als Gedächtnisstütze zurief, immer angekündigt durch das Aufstoßen seines geschmückten Stockes. Er wurde in Amerika durch den Prompter (franz.: Souffleur) ersetzt, der den Tänzern die Figurenfolgen zurief, ohne dabei zu singen. Hieraus entwickelte sich der heutige Caller, der seine Kommandos rufend, und in moderner Choreografie auch singend gibt.

Eine Variation zur Quadrille, die Lancers, entstanden zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs. Sie bestanden aus fünf Teilen, die in einem militärischen Finale endeten; die Tanzform waren die longways. Jeder Teil hatte eine andere Melodie und manchmal auch einen anderen Rhythmus, wobei aber der letzte Teil immer im militärischen 4/4 Takt als Marsch und Finale getanzt wurde. Das klassische und einzige Überbleibsel einer typischen Lancers Figur ist der Grand Square. Die militärische Tanzform zeigt auch in der Benennung der Tänze ihren amerikanischen Ursprung: Sacketts Harbour, Jefferson and Victory, Beaux of Albany, Washington´s Quickstep,  Hills of Habersham. Die Lancers waren zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs ungeheuer populär, werden aber heutzutage nicht mehr aktiv getanzt.

Contra Dance

In den englischen Kolonien, den später unabhängigen 13 Gründungsstaaten der USA, siedelten sich hauptsächlich Kolonisten englischen Ursprungs an. Durch sie wurde der Contra Dance in hohem Maße geprägt und beeinflusst, da die Musikform überwiegend mit Hornpipes, Schottisch Reel’s oder Irish Jig’s überliefert ist. Die Rhythmen Polka, Marsch und Walzer wurden erst später übernommen und bilden die Minderheit. Die Formation eines Contra ist nicht durch vier Paare zum Quadrat begrenzt. Bevorzugt sind zwei sich gegenüber stehende Reihen von Tänzern. Mehr dazu erfahren Sie hier.

 

Circle Mixer / Traditionals

Während derselben Dekade entstanden auch die big circle mixer und andere traditionelle Paartänze, die alle in einer großen Kreisformation getanzt wurden. Die Zahl der Paare war beliebig. Die allgemeine Tanzrichtung war gegen den Uhrzeigersinn und wurde, wie auch beim heutigen Round Dance, als line of dance bezeichnet. Die Paare tanzten hintereinander in dieser line of dance. Einer der bekanntesten älteren Tänze mit vielen Variationen, verlieh auch später einer Tanzhaltung seinen Namen: die Varsouvianna (siehe Zeichnung). Diese Tanzhaltung war dominierend über allen anderen und wurde auch zu vielerlei Rhythmen getanzt, einschließlich des Walzers. Die bekanntesten Tänze in Kreisformation sind jedoch die „Schottische“, deren Bewegungsablauf vorherrschend mit drei kurzen aber schnellen Laufschritten und anschließendem kleinen Hüpfsprung auf dem gleichen Fuß charakterisiert ist: 1-2-3-hop (hüpfen). Der bekannteste Schottische ist Cotton Eyed Joe, der sich bis in die heutige Zeit gehalten hat.

Im Regelfall wiederholt sich bei den big circle mixer ein Musikthema nach 64 Taktschlägen. Die Choreografie des jeweiligen Tanzes bewegt sich innerhalb dieser 64 Taktschläge. Danach wird die Tanzschrittsequenz wiederholt. Bleiben die Tanzpartner während des ganzen Tanzes zusammen, spricht man von einem normalen couple dance = Paartanz, der aber durch die standardisierte Choreografie und der Altersbedingtheit zum Traditional (traditioneller Tanz) erhoben wurde. Diese Traditionals sind nichts anderes als die Vorläufer des heutigen Round Dance. Wechseln die Partner nach Ablauf der Tanzschrittsequenz und des Musikthemas, spricht man von circle mixer.

Variationen zur oben beschriebenen Kreisformation sind der Spanish Circle und der Maverick. Bei der spanischen Kreisformation tanzt eine gerade Anzahl von Paaren mit von Paar zu Paar wechselnder Blickrichtung. Zwei Paare stehen sich dabei immer gegenüber. Die Progression erfolgt nach Beendigung des Musikthemas (z.B. 64 Taktschläge) durch Vorbeigehen (pass thru). Der Maverick circle sind zwei Kreise, einer mit Blickrichtung nach außen, der andere nach innen. Wird nach den Regeln des Contra getanzt und in prompting Technik angesagt, spricht man hier von circle contra statt von circle mixer.

 

Play Parties

In vielen streng religiösen Gegenden Neu-Englands wurde das Tanzen und Musizieren als ‘zu sinnlich’ verteufelt und verboten. Insbesondere die Violine wurde als 'Werk des Teufels' bezeichnet. Die puritanischen Gralshüter hatten auch leichtes Spiel, ihre Gemeinde zu beeinflussen, denn der einzige Vergleich waren die wilden und rauen Tänze in den Bars und Tavernen. Dort konnte man Tanzmädchen mieten und diese waren bestimmt kein Vorbild für eine christliche Gemeinde. Jede junge Generation lässt sich aber das Tanzen nicht so einfach verbieten. So umging man diese strenge Bevormundung und erfand die Play Parties. In den bereits bekannten Formationen führte man pantomimenartige Figuren auf und sang den Refrain dazu. Der Gesang, das Klatschen der Hände und das Gleiten, Laufen und Stampfen der Füße ersetzte dabei die Instrumente. Diese Play Party Spiele benötigten keinen Tanzleiter oder Caller, nur jemanden, der den Tanz begann oder dazu aufforderte, ankündigte oder vielleicht vorher zeigte. Einige dieser Play Party Spiele werden heute noch als Erziehungsprogramm genutzt und in Kindergärten, Schulen oder vergleichbaren Institutionen aufgeführt. Das dürfte auch in ähnlicher Form hierzulande bekannt sein. Die bekanntesten Titel sind: Shoo Fly, the Paw Paw Patch, Skip to my Lou, Left my brown Jug Downtown, All around the Mulberry Bush. Heutzutage würde man dies als kindliche Spiele bezeichnen, aber damals war dies für viele die einzige Möglichkeit, zu Singen und zu Tanzen.

 

Running Sets and Mountain Dances

In den abgeschiedenen Gegenden der Appalachen entwickelte sich eine weitere Tanzform, die von England kommend die historischen Grundelemente unbeschadet überdauerte: die Running Sets oder Mountain Dances, auch unter den Namen Kentucky Running Set, Appalachian Circles und Tennessee Mountain Dances bekannt. Die Bezeichnung running set stammt wahrscheinlich vom hohen Tempo der Hillbilly Fiddle Klänge. Man ‘rannte’ zwar nicht, aber die Taktschläge pro Minute waren doch höher als gewöhnlich und man musste auch unebene Bodenverhältnisse und die damals üblichen großen Abstände der Musik anpassen. Im Gegensatz zur Quadrille war die Nummerierung der Paare in dieser Tanzform wie auch heutzutage fortlaufend gegen den Uhrzeigersinn.

Was in Westernfilmen als Square Dance verkauft wird, entspricht genau diesen running sets, da auch bereits einfache Square Dance Figuren getanzt wurden. Typische Melodien, welche auch heute noch bekannt sind, waren: Arkansas Traveller, Sally Goodin’, Cripple Creek oder Sourwood Mountain. 

Diese Tanzform hatte auch einen Caller als Tanzleiter nötig, der den Tänzern über all dem Jauchzen, Schreien und Gestampfe geradezu schrie, was als nächstes getanzt werden soll. Dabei tanzte er aber selbst mit! Ein anfangs großer Kreis wurde im Laufe des Tanzes in mehrere kleinere Kreise oder Squares umgeformt. Da nun jeder Square seinen eigenen Caller hatte, tanzte auch jeder Square etwas anderes. Man kann sich das Chaos lebhaft vorstellen. London bridge, make a basket, gents sweep the floor, wring the dishrag,  wind up a ball of yarn, Queens highway, Georgia rang tang hießen z.B. die damaligen calls. Vorherrschend war die Kreisformation. Bei birdie in the cage tritt z.B. ein Tänzer in die Mitte und die anderen tanzen im Kreis herum. Bei around one couple and take a peek versuchen sich hinter dem Rücken der anderen die Pärchen Blicke zuzuwerfen. Andere Figuren waren: duck for the oyster, right hands across, four leaf clover, chase the rabbit, etc.

 

Western (Square) Dance

Der unübersichtlichste Teil zur Entwicklung des heutigen modernen Square Dance gebührt dem Western Square Dance, sofern man von einer Entwicklung überhaupt sprechen kann. Der 'Schmelztiegel' Amerika brachte Mitte des 19. Jahrhunderts Millionen Siedler aus allen Teilen der Welt nach dem Westen und jede eingewanderte Nation lieferte einen Teil ihrer Volkstänze dazu. Man lebte in einer großen Völkergemeinschaft und niemand wollte sich seiner heimatlichen Gebräuche berauben lassen. Jeder zeigte seinen mitgebrachten Volkstanz und versuchte sich in fremden Tänzen. Schließlich vermischten sich mit der Zeit Figuren und Schrittfolgen und sie erhielten einen anderen Namen, den alle verstanden. Die Tanzformation des Kreises oder des Square der östlichen amerikanischen Staaten blieb aber vorherrschend.

Mit den Siedlertrecks breitete sich diese Tanzart langsam nach Westen aus. Je nach lokaler Anpassung wurden die Tänze als Cowboy Dance, Miners Dance, West Texas Dance, Farmers Dance etc. bezeichnet. Sie unterschieden sich voneinander lediglich durch das variierende Tempo und kleine Abweichungen in der Ausführung. Von Stil und Etikette konnte keine Rede sein. Die Tänze waren entsprechend wild und von Springen, Kicken, Stampfen und gelegentlichem Rebellengeschrei begleitet.

Eines kristallisierte sich aber mehr und mehr heraus: ein wirklicher Caller, der, auf einem Stuhl, Heuballen oder ähnlichem stehend, den Tänzern seine Anweisungen zurief bzw. in Reime verpackt sang. Er hörte sich durch seine stakkatoartigen Reime mehr nach einem Auktionator als nach einem Caller an. Die Reime waren allgemein oder bezogen sich auch auf lokale Begebenheiten. Sie wurden in den Tanzablauf mit eingebunden, der vorher schon fest stand.

 

Die Gründerväter

Ende des 19. Jahrhunderts, für die Dauer von ca. 25 Jahren, nahm - vor allem in den Städten - der Paartanz überhand und verdrängte so die Formationstänze nahezu vollständig. Prompter und Tanzleiter vergaßen das überlieferte Repertoire ihrer Väter.

Wahrscheinlich ist es nur der gewaltigen Ausdehnung des Landes und den damit zwangsläufig abgeschiedenen Gegenden zu verdanken, welche von neuen Einflüssen unberührt blieben, dass nicht alles in Vergessenheit geriet. Vier Männern gebührt die Ehre, den amerikanischen Formationstanz gerettet und wieder zu neuem Leben erweckt zu haben: Cecil J. Sharp, Benjamin Lovett, Lloyd "Pappy" Shaw und der bekannte Autokönig Henry Ford.

1917 entdeckte der englische Historiker Cecil J. Sharp, während seiner Suche nach musikalischem Treibgut seiner Heimat, in der Abgeschiedenheit der Appalachen die dort noch erhaltenen Running Sets bzw. Mountain Dances. Er machte erste Aufzeichnungen über die Tänze und bewahrte so Amerika vor dem totalen Verlust dieses Kulturgutes.

Aber es fehlten viele andere Aufzeichnungen und die Erneuerung in großem Stil. Dies bewerkstelligte ein Mann, der nicht nur das Interesse, sondern auch die Mittel dazu hatte: der Autokönig Henry Ford. Er lernte in einem Hotel in Sudbury, Massachusetts, den Tanzlehrer Benjamin Lovett kennen, der interessierten Urlaubern alte amerikanische Volkstänze beibrachte; er war somit auch einer der ersten 'Animateure'. Nachdem Benjamin Lovett wegen vertraglicher Bindung an das Wayside Inn Hotel das Angebot Henry Fords ablehnte, nach Dearborn/Michigan umzusiedeln, kaufte dieser kurzerhand das Hotel, um Benjamin Lovett für nur zwei Monate(!) nach Dearborn unter Vertrag nehmen zu können. Dieser blieb aber schließlich sechsundzwanzig Jahre.

Unverzüglich machten sich beide daran, überlieferte amerikanische Tänze publik zu machen. Zweihundert Tanzlehrer wurden eingeladen und von Benjamin Lovett weiter ausgebildet. Tageszeitungen druckten Tanzanweisungen über Square Dance Figuren und wie diese auszuführen seien. Das Buch Good Morning’ wurde eine detaillierte Beschreibung aller bekannter Tänze. Radiostationen übertrugen das Square Dance Geschehen von Küste zu Küste. Alles, was sich Benjamin Lovett nur wünschte, wurde von Henry Ford prompt finanziert und in die Tat umgesetzt. Er kaufte  z.B. nur zum Zwecke von Schallplattenaufnahmen mehrere Schwindel erregend teure Stradivaris, ließ einen riesigen, prächtigen Tanzsaal bauen und unterhielt ein eigenes Orchester. Er legte seinen Angestellten und Direktoren nahe, aktiv am Tanzgeschehen teilzunehmen, was einem unausgesprochenen Befehl gleichkam. Er stellte die ausgebildeten Tanzlehrer sechs Universitäten unentgeltlich zur Verfügung und die Tänze wurden als Wahlfach in den Lehrplan aufgenommen. Die amerikanischen Formationstänze wurden so populär wie nie zuvor. Es war ein gesellschaftliches Ereignis mit formeller Kleidung und strenger Etikette.

Auch der Westen brachte einen Mann hervor, der die weitere, insbesondere jüngere Entwicklung des Square Dance wesentlich beeinflusste: Lloyd "Pappy" Shaw. Er stammte aus Colorado Springs und besaß auch unter anderem die Bücher von Cecil J. Sharp und Benjamin Lovett, welche die traditionellen Tänze des östlichen Amerikas beschrieben. Er kannte aber schon seit seiner Jugend andere überlieferte Tänze des Westens, worüber keine Aufzeichnungen existierten. So begann er 1930 Minencamps, Ranches und Farmen zu besuchen, befragte Cowboys, Farmer und Bergarbeiter nach ihnen bekannten und überlieferten Tänzen, sammelte deren Tänze und zeichnet alles in seinen Büchern Cowboy Dances und The Round Dance Book auf. Mitte der 30er Jahre wurde er  Schulrektor an der Cheyenne Mountain High School, welche Tausende von Kindern vom Kindergarten bis zum Schulabschluss begleitete. Er begann, diesen Kindern das Erbe der amerikanischen Volkstänze zu vermitteln. Es bildete sich daraus eine Tanzgruppe, die ‘Cheyenne Mountain Dancers’, die mit ihrem "Pappy" auf Tournee ging und bald in ganz Amerika bekannt war. Der Ruf von anderen Schulen, Universitäten und Freizeitcamps wurde immer lauter, selbst vergleichbares einzuführen, und Lloyd Shaw begann, Kurse über die Kunst des calling und prompting durchzuführen. Er wurde so zweifellos zum größten Förderer des Square Dance seiner Zeit und zum Vordenker der weiteren Entwicklung.

Während des zweiten Weltkriegs waren diese Seminare zwangsläufig fast nur mit Frauen belegt. Die bereits ausgebildeten Männer trugen ihr Können und Wissen während ihrer Militärzeit in alle Welt, um in ihrer Freizeit heimatliche Klänge zu hören und danach zu tanzen. Dies blieb auch während der Besatzungszeit in Deutschland so und ist auch in vielen Ländern, wo amerikanische Soldaten stationiert sind, bis zum heutigen Tag so geblieben.

 

Die 40er und 50er Jahre

Diese zwei Jahrzehnte waren äußerst kreativ und richtungweisend für die weitere Entwicklung bis zum heutigen modernen Square Dance. Mehrere Bücher und Anleitungen wurden publiziert und vervollständigten so die Aufzeichnungen von Lloyd Shaw. Vorrangig beherrschte aber noch die traditionelle Choreographie die Szene mit vielen arm turns und swings. Jeder Tanz hatte einen Titel und einen immer noch feststehenden Figurenablauf mit visiting couple (Zuschauer-Paar) Variationen. Dabei dreht sich das erste Paar zum zweiten Paar, tanzt nur mit diesem eine Figurenfolge, geht danach zum dritten und schließlich zum vierten Paar, mit denen die gleiche Figurenfolge wiederholt wird. Diese Sequenz wird dann vom zweiten Paar und danach von den übrigen wiederholt. Unerfahrene und neue Tänzer wurden in der Regel in Position Nr.4 eingeführt. Bis die Reihe an sie kam, kannten sie vom Zusehen den Ablauf der Figuren. Man dachte sich auch Square Dance Figuren aus, die diese Choreographie unterstützten: dip´n dive, double bow knot, triple duck, etc.

In dieser Zeit wurden auch intensiv Schallplattenaufnahmen von populären Volksliedern unter Square Dance Regeln gemacht. Diese ‘Schellack’ - Platten wurden noch mit 75 Umdrehungen pro Minute abgespielt. Jetzt wurden auch viele neue Figuren ersonnen und es ist erstaunlich, dass viele davon erst so spät erfunden wurden. Heute gehören sie zum Grundprogramm, das ohne sie undenkbar wäre: pass thru (1941), alamo ring (1949), california twirl (1953), U turn back (1954), double pass thru (1956), square thru, bend the line (1957), star thru (1960), trade by (1969).

Entwicklung des modernen Square Dance

Die starren traditionellen Formen der amerikanischen Volkstänze  begann man in alle möglichen Richtungen zu spezialisieren. Naturgemäß blieben die interessantesten Tanzformen übrig und wurden vorherrschend. Anfang der 50er Jahre begann damit auch der Siegeszug des heutigen anspruchsvollen Square Dance. Diese Umformung war beileibe nicht unumstritten. Die Verfechter des traditionellen Tanzens fürchteten, zu Unrecht, wie sich später zeigte, um den Verlust der Traditionals. Die traditionellen Tänze sind in ihrer Urfassung immer noch unangetastet erhalten und werden es auch bleiben. Es wird sogar jede Anstrengung unternommen, dieses wichtige Kulturgut nicht vergessen werden zu lassen und jeder Caller ist aufgefordert, hin und wieder einen dieser Traditionals seinen Tänzern nahe zu bringen.

Was wurde denn viel geändert? Eigentlich war alles ein natürlicher Ablauf: Die Figuren wurden einzeln aus den Traditionals herausgelöst, neu zusammengestellt und zu moderneren  Melodien getanzt. Dies entsprach ganz der amerikanischen Mentalität, immer etwas Neues zu erschaffen. Zwei neuzeitliche Errungenschaften forcierten dazu noch wesentlich diese Entwicklung: die Unterhaltungselektronik und das Auto. Früher brauchte der Tanzmeister eine Musikkapelle und ein Megaphon. Das war nicht nur teuer, sondern auch sehr schwierig in der Abstimmung zueinander und war aus akustischen Gründen nur einer begrenzten Anzahl von Tänzern zugänglich. Mit der neuen Technik einer Lautsprecheranlage und insbesondere der Schallplatte, stand dem Caller ein immer gleich bleibendes Instrumentarium zur Verfügung, das er nach Belieben manipulieren konnte und das auch einer nahezu unbegrenzten Tänzerzahl zur Verfügung stand.

Mit dem modernen Verkehrsmittel war die Distanz zu Tanzveranstaltungen kein Hindernis mehr. Begeisterte Tänzer fuhren so immer öfter zu Tanzanlässen und wollten natürlich immer etwas geboten haben. Wöchentlich und stereotyp die alten Tänze zu tanzen war nicht amerikanische Mentalität. Da musste etwas geschehen, und so variierten die Caller die Tanzfolgen. Sie hatten damit unerwartet Erfolg, weil die Tänzer nun mental gefordert wurden und ihnen ein neues Erlebnis~ und Erfolgsgefühl zuteil wurde. Die Anhänger der neuen Welle mussten jetzt aber auch in kürzeren Abständen üben, denn der Erfindungsgeist der Caller verlangte mehr Training und mentale Aufnahmebereitschaft vom Tänzer, was diesen aber nur anspornte.

Diese wöchentlichen Treffen waren gleichgesetzt mit regelmäßigem Kinobesuch oder Partytreffen. Wenn jede Woche das gleiche Programm abliefe, wäre dies langweilig. Also erforderte ein Tanzabend Planung und Vorbereitung, um das Tanzen attraktiv zu halten und zu weiteren Zusammenkünften zu motivieren. Dies ist bis zum heutigen Tag in den Square Dance Klubs so geblieben. Jede sich ausbreitende und attraktive Massenbewegung wird aber durch Journalismus hochgespielt und damals wurden sogar für kurze Zeit Wettkämpfe ausgetragen.

Nun wurde fast übertrieben. In den 60er Jahren schienen Caller und Klubs sich gegenseitig übertreffen zu wollen, indem sie immer neue Figuren in ihr Programm aufnahmen. So kam es häufig vor, dass Gästen ohne Vorwarnung unbekannte calls an den Kopf geworfen wurden. Der Zwang zu intensivem Studium und Training und die Unsicherheit, ja Angst, was einen auf der nächsten Tanzveranstaltung erwarten würde, frustrierte viele Tänzer, und sie gaben dieses Hobby in großer Zahl auf.

Die neue, fortschrittliche Führungsschicht war nun auch verantwortlich für das weitere Geschehen. Es bildete sich die American Square Dance Society unter Führung von Bob Osgood, welche gerade noch rechtzeitig diese Fehlentwicklung erkannte. 1967 wurde erstmals eine Liste mit Beschreibungen von 50 Basics erstellt und 1970 wurden 25 Extended Basics hinzugefügt. Die Entwicklung ging aber so rasant weiter, dass diese Organisation, welche sich für alle Sparten des amerikanischen Volkstanzes einsetzte, überfordert war.

Vierzehn führende Caller, die die Square Dance Hall of Fame repräsentierten, gründeten die Callerorganisation  CALLERLAB. Die Gründungssitzung fand 1974 statt. Sie entwickelte sich zu einer internationalen Organisation, zuständig für einheitliche Definitionen der Figuren und standardisierte Programmabschnitte. Seitdem kann man sich darauf verlassen, dass ein angekündigtes Programmniveau auch so durchgeführt wird, wie es dem Umfang entspricht und keine weiteren unbekannten Figuren angesagt werden. Diese Programme "leben" und werden in Intervallen ediert. Die Entwicklung ist somit noch lange nicht abgeschlossen. Zur neuesten Entwicklung siehe News and Trends.

 

Frage: Wer war der erste Square Dancer?

Antwort: Christoph Columbus

- Als er sich auf den Weg machte, wusste er nicht, wohin er kommen würde.

- Als er dort war, wusste er nicht, wie er hingekommen war.

- Als er wieder zu Hause war, wusste er nicht, wo er gewesen war.

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